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China: Schicksalsjahre einer Handelsbeziehung

27.06.2024

Rückblick | Chefsache: China | 26.06.2024 | Schloss Staufenberg, Durbach

„Ändern sich die Fakten, ändert sich meine Meinung“ – aber ändert eine Meinung auch die strategische Ausrichtung?

Der aktuelle chinesische Fünfjahresplan liest sich wie eine Kampfansage an die westlichen Industrienationen. Das Selbst- und Sendungsbewusstsein wächst, die Bereitschaft zu Kompromissen über multilaterale Institutionen sinkt. Der Wohlstand ist gewachsen, die Kaufkraft ist weit höher als beispielsweise in Indien. Doch die Probleme werden offensichtlicher: Überkapazitäten, Deflation und der drohende Handelskrieg mit den USA hinterlassen Zweifel an den rosigen Wachstumsaussichten.

Was bedeutet das für in China engagierte Unternehmen aus Deutschland? Zwischen „rette sich wer kann“, „mitnehmen was noch geht“ und „jetzt erst recht“ liegt nur ein erstaunlich schmaler Grat. Wer in China erfolgreich sein möchte, muss Stratege, Kosmopolit und Sinologe sein - zumindest in Teilzeit. Der Umgang mit China wird so zum Spießrutenlauf zwischen Anpassungsfähigkeit und strategischer Konsistenz. Die Gretchenfrage lautet: Wie halten Sie es mit China?

Die Suche nach Alternativen

Vietnam rückt als attraktiver Standort in Südostasien immer weiter in den Vorgrund. Das Land hat als eines der wenigen asiatischen Länder ein Freihandelsabkommen mit der EU unterzeichnet, was es für internationale Unternehmen äußerst attraktiv macht. Die politische Stabilität und die junge Bevölkerung bieten ein günstiges Umfeld für Investitionen. Auch für Erik Schäfer, Geschäftsführer des international agierenden OBE GmbH & Co. KG mit Hauptsitz in Istringen ist Vietnam mehr als nur eine Alternative zu China. Insbesondere die 25-30% geringeren Personalkosten wirken sich auf die Investitionsentscheidungen aus. OBE plant, Ende 2024, eine neue Produktionsstätte in Vietnam zu eröffnen, mit einem 2.000qm großen eigenen Gebäude und einer Option auf Erweiterung. 

Indien als bevorzugter Produktionsstandort

Fritz Kübler, seit 1998 in China präsent, verlagert seine Aktivitäten zunehmend nach Indien. Mit rund 100 Mitarbeitenden vor Ort und einer stabilen Führungsmannschaft, bietet Indien zahlreiche Vorteile. Die geringeren Risiken des Know-how-Abflusses und die einfachere Kommunikation machen Indien zu einer attraktiven Alternative zu China. Die hohe Anzahl qualifizierter Ingenieure und die günstigen Personalkosten – nur etwa 25-30% der Kosten in China – tragen zur Attraktivität Indiens bei. Fritz Kübler hat auch ein neues Büro in der Innenstadt eröffnet, um den Bedürfnissen der Ingenieure nach einer ansprechenden Arbeitsumgebung gerecht zu werden. Dieses Engagement in Indien zeigt, wie wichtig ein stabiles und unterstützendes Umfeld für den Erfolg eines Unternehmens ist.

Globale Perspektiven

Dr. Jost Wübbeke hebt hervor, dass sich die globale Wirtschaftsordnung verändert. Seit 2017 ist die Zusammenarbeit zwischen China und den USA zunehmend schwierig, was globale Auswirkungen hat. Er betont die „China plus 1“-Strategie, bei der Unternehmen neben China auch andere Länder in ihre Produktionsnetzwerke einbeziehen, um Risiken zu minimieren. Vietnam wird dabei als neutraler Akteur zwischen den Großmächten China und USA besonders gelobt. Dr. Wübbeke sieht auch, dass viele Unternehmen ihre Produktion außerhalb Chinas verlagern, aber dennoch oft die Lieferkette aus China nutzen.

Dr. Christine Althauser betont, dass China ein komplexes Land mit 1,4 Milliarden Menschen und 100 Millionen Parteimitgliedern ist. Die Parteistruktur ist entscheidend für die Stabilität des Landes, um Chaos zu vermeiden. Diese stringente Führung ist notwendig, um die massive Bevölkerung zu kontrollieren. Veränderungen in China begannen mit dem Amtsantritt von Xi Jinping und wurden durch die Pandemie beschleunigt. Althauser unterstreicht, dass China von der regelbasierten internationalen Ordnung profitiert, was einen wichtigen Unterschied zu Russland unter Putin darstellt, der unberechenbar agiert.