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Der Kältetod der Bürokratie

22.03.2024

Liebe Freunde der Schwarzwald AG,
 

„Der Deutsche hat ein Schicksal und ein Ideal. Sein Schicksal ist, dass er in einer langen Schlange vor einem Schalter auf einen Beamten warten muss. Sein Ideal ist, auf der anderen Seite des Schalters zu sitzen – mit einem Stempel in der Hand.“ Gesagt hat dies vor rund 100 Jahren der Satiriker Kurt Tucholsky, der offenbar ein profunder Kenner der in dieser Hinsicht stabilen deutschen Seele war.

Bürokratie hat somit vor allem zwei Perspektiven. Dem andern will ich alles verbieten und vorschreiben, so wie ich es gerne hätte. Ich selbst möchte allerdings gerne so bleiben, wie ich bin. Der andere, das ist der Nachbar, der Verkehrsteilnehmer, der Bauherr, der Steuer-
zahler, der Arbeitgeber, der Ausländer, der Lieferant, der CO2-Emittent, der Fleischesser, der KI-Nutzer, …

Natürlich, nicht einmal in den Stammesgesellschaften der Steinzeit konnte jeder machen, was er wollte. Regeln können einen Sinn für die Gemeinschaft haben. Sie finden Akzeptanz, wenn sie transparent, klar, einfach, durchgängig sind. Und ihr jeweiliges Ziel erreichen. Die Brandschutzverordnungen schwellen an, obwohl kaum jemand in Deutschland wegen fehlender Gesetze im Feuer Schaden nimmt. Heute braucht man Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Auditoren, Fördermittelberater, Gutachter, … und zahllose andere Bürokratie-Erfüll-Gehilfen, um die anschwellende Regelflut überhaupt zu erfassen. Und ungezählte weitere Menschen in Stäben, die Bürokratie umsetzen und anwenden. Wertschöpfung entsteht dadurch nicht. Nur die Komplexität der Anläufe und die Gereiztheit aller Beteiligten nimmt zu.

Wir begreifen Zukunft leider immer noch als etwas, was gesetzlich und detailliert geregelt werden muss. Mit Quoten, Grenzwerten, Kleingedrucktem und immer mehr Beamten. Chancen entstehen dadurch zu wenige, geistige Blockaden hingegen viele.

Es muss uns klar werden, dass wir den Bogen längst überspannt haben und uns schnurstracks auf dem Weg in den „Kältetod der Bürokratie“ (Max Weber) befinden, der uns täglich zu Hause und erst recht im internationalen Wettbewerb lähmt. Wir brauchen ein neues Ideal. Weniger und einfachere Regeln, weniger Schalter, schnellere Abläufe, mehr Tempo in der Schlange. Und Bürger, die nicht immer nur nach dem Staat rufen.

Mit unbürokratischen Grüßen
Ihr
Dr. Christoph Münzer