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Gewinne: Überlebensgrundlage, Tabuthema, Anreizinstrument

30.01.2025

Chefsache Gewinn- und Anreizstrukturen | 30.01.2025 | Weingut Blankenhorn, Schliengen

Gewinne sind Tabuthema und Daseinsberechtigung zugleich. Ohne sie kein Fortschritt, keine Innovation, keine Arbeitsplatzsicherheit. Doch kaum sind sie erwirtschaftet, beginnt das Ringen um ihre Verwendung: Reinvestieren oder ausschütten? Ein Bonbon für die Mitarbeitenden oder Polster für schwierige Zeiten? Gesellschafteranspruch oder Mittel für höhere Ziele? Vier Perspektiven beleuchten das Spannungsfeld zwischen Kapital und Arbeit – und zeigen, wie eine intelligente Verzahnung gelingen kann. 

Welches Ergebnis soll das Anreizsystem liefern? 

Maximilian Evers von Lurse HR Consulting beleuchtete grundlegende Modelle und Ziele von Gewinn- und Anreizsystemen. Bevor über Verteilung gesprochen wird, braucht es Klarheit: Was ist das Ziel? Maximale Eigenkapitalstärkung oder regelmäßige Ausschüttungen? Wollen wir Mitarbeitende beteiligen oder bleibt der Gewinn den Eigentümern vorbehalten?

Die Praxis zeigt: Viele Anreizsysteme sind nicht konsequent durchdacht. Boni und Unternehmensgewinne laufen oft unverbunden nebeneinander her. Moderne Modelle setzen daher zunehmend auf kollektive Erfolgsbeteiligung statt individueller Zielprämien. Die entscheidende Frage lautet: Welche Mechanik stärkt das Unternehmen nachhaltig und sorgt zugleich für Motivation auf allen Ebenen?

Voraussetzungen im Gesellschafterkreis schaffen

Sebastian Dahlke, Inhaber und Geschäftsführer der HERMETIC-Pumpen GmbH zeigte die Bedeutung klarer Übereinkünfte im Gesellschafterkreis auf. Ziel muss es sein, so über Geld sprechen zu können, dass es den guten Zusammenhalt zwischen den Inhabern nicht gefährdet. Gewinne sind nicht nur eine Frage der Geschäftsführung – sie betreffen auch die Eigentümerstruktur. Wer im Gesellschafterkreis für klare Regeln sorgt, spart sich spätere Konflikte. Ausschüttung oder Thesaurierung? Die Antwort muss Interessen der Eigentümer ebenso berücksichtigen wie die langfristige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. HERMETIC zeigt, dass eine Governance klare Vorteile liefert: Ein strukturiertes Regelwerk verhindert kurzfristige Gewinnmitnahmen zulasten der Substanz. Nur wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, bleibt das Unternehmen zukunftsfähig.

Transparenz schaffen und Mitarbeitende mitnehmen 

Christian Schneider, Inhaber und Geschäftsführer Schneider Schreibgeräte erläuterte, wie Transparenz und strukturierte Gewinnverwendung Mitarbeitende mitnehmen. Gewinnverteilung ist nicht nur eine Frage von Zahlen, sondern auch von Vertrauen. Schneider Schreibgeräte hat eine klare Formel für die Verwendung des Jahresüberschusses. Ein Großteil des Gewinns wird für die Weiterentwicklung des Unternehmens und zukünftige Investitionen zurückgelegt. Ein zusätzlicher Anteil fließt in ein neues Anreizsystem, während ein Teil an die Gesellschafter ausgeschüttet und ein kleinerer Betrag für soziale Projekte eingesetzt wird. Diese Transparenz schafft Akzeptanz – und sorgt dafür, dass Gewinn nicht als abstrakte Zahl, sondern als Gestaltungsinstrument für die Zukunft verstanden wird.

Ständig austarieren und optimieren

Cornel Spohn, Vorstand der Sedus Stoll AG erklärte, wie Unternehmen ihre Anreizsysteme kontinuierlich optimieren müssen. Kein Anreizsystem bleibt für immer optimal. Die Praxis zeigt: Erfolgsbeteiligungen, stille Gesellschaftermodelle und variable Sonderzahlungen brauchen ständige Nachjustierung. Sedus Stoll setzt seit Jahrzehnten auf Mitarbeiterbeteiligung – und passt sie immer wieder an neue Gegebenheiten an. Die Herausforderung: Partizipation fördern, ohne Mitnahmeeffekte zuzulassen. Die Kunst liegt darin, Motivation und wirtschaftliche Vernunft in Einklang zu bringen.

Kapital und Arbeit sind kein Widerspruch – wenn die Regeln stimmen. Gewinnverteilung darf kein Reflex sein, sondern muss strategisch durchdacht werden. Unternehmen, die ihre Ziele klar definieren, die Gesellschafterstruktur in die Planung einbeziehen, transparente Mechanismen etablieren und ihre Systeme laufend optimieren, sind auf lange Sicht erfolgreicher.

Es geht nicht um Entweder-oder, sondern um das kluge Austarieren zwischen Reinvestition und Ausschüttung, zwischen unternehmerischer Zukunftssicherung und fairer Teilhabe. Wer Gewinn als Werkzeug begreift und nicht als Zankapfel, schafft Motivation, Stabilität und nachhaltiges Wachstum.