Gibt es auch Donaubadener?
06.04.2025


Rückblick | Chef-Erfa 32 | Serbienreise | 3. April - 06. April 2025
Was verbindet Deutschland und Serbien? Selbstverständlich die Donau. Über Jahrhunderte war sie Verkehrsader, Kulturträger und geopolitischer Drahtseilakt zugleich. Und Belgrad: das Tor nach Zentraleuropa oder, aus mitteleuropäischer Sicht, das Tor zum Orient. Genau das wurde auf der Reise der Chef-Erfa 32 nach Serbien spürbar. Gastgeber Thomas Müller öffnete uns die Tore seines serbischen Werks der A2000 Industrie-Elektronik GmbH in Svilajnac, wo über 50 Mitarbeitende in einem ambitionierten Projekt an der Brücke zwischen Friesenheim und dem Balkan bauen.
Ankommen, Eintauchen, Verstehen
Donnerstagnachmittag landet die Chef-Erfa 32 der wvib Schwarzwald AG in Belgrad. Die Fahrt führt südwärts nach Svilajnac – eine Kleinstadt mit großer Zukunft. Beim serbischen Abendessen im Restaurant Grand wird schnell klar: Kulinarisch gibt es keine Gegensätze, sondern Gemeinsamkeiten – Herzhaftes, Bodenständiges, Gastfreundschaft.
Ein Stück Baden - mitten Serbien
Der Freitag beginnt mit der Besichtigung des serbischen Standorts der A2000 Industrie-Elektronik GmbH. Was 2019 als mutiger Schritt begann, ist heute ein Werk mit über 50 Mitarbeitenden und klarer strategischer Rolle: Ergänzung und Entlastung des Stammhauses in Friesenheim durch ein junges, engagiertes Team – mitten in der serbischen Freihandelszone.
Die A2000-Story
Die Geschichte von A2000 Industrie-Elektronik in Serbien beginnt nicht in Svilajnac, sondern in Tschechien. Dort war das Unternehmen seit 2000 mit einer eigenen Tochtergesellschaft aktiv. Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik stiegen die Löhne und die Nachfrage nach Fachkräften rapide. Was einst ein strategischer Vorteil war, wurde zunehmend zur Herausforderung: Zwischen 2010 und 2017 stiegen die Gehälter um 30 Prozent, in manchen Regionen sogar deutlich mehr. Gleichzeitig lehnten Kunden Preisanpassungen ab. Ende 2017 fiel deshalb der Entschluss: Das Werk in Tschechien wird geschlossen, ein neuer Standort in Osteuropa muss her.
Die Entscheidung für Serbien war das Ergebnis eines sorgfältigen Auswahlverfahrens. Die Anforderungen waren klar: ein europäischer Standort mit niedrigen Lohnkosten, guter Bildung, politischer Stabilität und möglichst kurzer Transportzeit – idealerweise unter 48 Stunden. Unterstützt von der Deutsch-Serbischen Handelskammer startete A2000 eine Ausschreibung, auf die sich 64 Städte und Gemeinden bewarben. Nach einem mehrstufigen Auswahlprozess mit Punktesystem, Gesprächen vor Ort und Detailanalysen entschied man sich für die Kleinstadt Svilajnac, rund 100 Kilometer südöstlich von Belgrad. Svilajnac überzeugte durch eine aktive Stadtverwaltung, eine Freihandelszone mit attraktiven Konditionen, eine gute Anbindung an Straße und Flughafen sowie durch lokale Bildungseinrichtungen. Besonders hervorzuheben: eine Mechatronik-Fachschule auf dualer Basis und ein im Aufbau befindliches technisches Bildungszentrum auf dem Niveau eines deutschen Technikers. Die Universität Kragujevac liegt in erreichbarer Nähe.
Heute betreibt A2000 in Svilajnac ein Werk mit rund 50 Mitarbeitenden auf einem 10.000 m² großen Grundstück. Produziert wird aktuell auf 1.000 m² in einer Schicht, wobei der Betrieb bereits auf zwei Schichten ausgelegt ist. Perspektivisch sollen bis zu fünf Hallen mit insgesamt 5.000 m² entstehen. Die Entlohnung liegt deutlich unter deutschem Niveau: Für ungelernte Kräfte bei etwa 750 € Gesamtkosten pro Monat, für Facharbeiter bei rund 930 €, Junior-Ingenieure mit Masterabschluss liegen bei ca. 1.070 €. Auch Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung orientieren sich bereits teilweise an europäischen Standards.
Die Strategie hinter dem Standort ist ebenso pragmatisch wie zukunftsgerichtet. Serbien dient nicht nur als „verlängerte Werkbank“, sondern als Ergänzung und Entlastung für das Stammhaus in Friesenheim. Mischkalkulationen sollen auskömmliche Gewinne sichern, gemischte Teams Synergien schaffen – etwa im Einkauf oder der Arbeitsvorbereitung. Auch die duale Ausbildung wird gezielt gefördert, um den Fachkräftemangel in beiden Ländern zu mildern. Langfristig denkt A2000 sogar über eine Verlagerung der Logistik oder einzelner Prozesse wie Lagerhaltung und Kommissionierung nach Serbien nach.
Doch der Standort birgt auch Herausforderungen: Versicherungen sind teuer, Finanzierungen kaum bezahlbar, Zollabwicklung und Logistik aufwendig. Der Stückguttransport außerhalb größerer Städte ist kompliziert und teuer, viele Materialien müssen importiert werden, da es kaum lokale Lieferanten gibt. All das verlangt unternehmerischen Mut, Geduld und ein tiefes Verständnis für lokale Gegebenheiten.
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Serbien ist kein einfacher, aber ein lohnender Standort für Unternehmen, die europäisch denken, flexibel handeln und Verantwortung übernehmen. A2000 zeigt, wie industrielle Brücken zwischen Baden und dem Balkan gebaut werden – mit Herz, Verstand und unternehmerischer Weitsicht.
Belgrad verstehen
Der Samstag beginnt mit einem Rundgang zur Kalemegdan-Festung, wo Donau und Save zusammenfließen – eine symbolische Kulisse für diese Reise. Bei der anschließenden Schifffahrt wird deutlich: Serbien ist in Bewegung – wirtschaftlich, politisch und geografisch. Die Skyline Belgrads spiegelt diesen Wandel eindrucksvoll. Am Nachmittag folgt eine Stadtrundfahrt, die die Gegensätze zeigt: Investitionen und Brachen, Aufbruch und Vergangenheit.
Die Reise war mehr als ein Betriebsbesuch – sie war ein Perspektivwechsel. Serbien zeigt, dass europäisches Denken nicht an der EU-Grenze endet. Wer unternehmerisch handelt, muss geopolitisch mitdenken. Vielen Dank an Thomas Müller und sein Team von A2000 für drei intensive Tage in Serbien!
