Kernschmelze oder Wachstum? Wie wird 2026?
09.12.2025
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Rückblick | Fach-Erfa CFO TOP 100 | Outlook 2026 | 09.12.2025| online
Fiskalimpulse, Schulden, Strukturprobleme. Wie wird 2026, Dr. Jörg Krämer?
Wie blickt der Chefökonom der Commerzbank, Dr. Jörg Krämer auf das nächste Jahr? Das wollte die CFO-Runde nicht aus dem Handelsblatt, sondern im digitalen Austausch erfahren. Wie wirken sich die globalen Unsicherheiten auf die deutsche Exportwirtschaft aus? Welche Signale senden die Notenbanken? Was braucht der Standort Deutschland jetzt?
Deutschland: 2026 höheres Wachstum nur wegen Fiskalpaket
Für Deutschland wird 2026 eine leichte Erholung erwartet. Sie ist jedoch weniger Ausdruck neuer Stärke als Ergebnis staatlicher Programme, niedrigerer Zinsen und fiskalischer Impulse. Die Frage bleibt, ob diese Mittel tatsächlich in der Realwirtschaft ankommen oder in Verfahren, Preisen und Verschiebungen verpuffen. Der industrielle Kern steht weiter unter Druck. Die Prognose: Wachstum ja, aber auf wackeligem Fundament.
USA: KI rettet Konjunktur
In den USA hat sich die Stimmung gedreht. Die befürchtete Rezession ist vom Tisch. Treiber ist nicht klassische Industrie, sondern Künstliche Intelligenz. Massive Investitionen in Software, Daten und Technologie geben der Wirtschaft Rückenwind. Der Wachstumsschub seit der Pandemie ist enorm. Der Vergleich mit Deutschland fällt ernüchternd aus: Dort trägt Industrie nicht mehr, während KI in den USA Wachstum ersetzt.
Industriepolitik wie China oder Ordnungspolitik wie Erhard?
China setzt konsequent auf Industriepolitik und staatliche Lenkung. Überkapazitäten werden gezielt genutzt, um Märkte mit günstigen Industrieprodukten zu fluten. Das wirkt vertraut: Auch das deutsche Geschäftsmodell funktionierte in den Zeiten des „Exportweltmeisters“ über starke Ausfuhren. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch im System. Deutschlands Erfolg beruhte nicht auf staatlichen Plänen oder gezielten Subventionen zum Aufbau von Kapazitäten, sondern auf unternehmerischer Initiative, Wettbewerb und verlässlichen Rahmenbedingungen.
Ein Zurück in diese Vergangenheit wird es nicht geben. Und Chinas Wirtschaftsmodell ist keine Blaupause für Deutschland. Wer heute Industriepolitik fordert, sollte sie nicht mit Ordnungspolitik verwechseln. Ordnungspolitik im Sinne Erhards hieße nicht, Gewinner zu bestimmen, sondern Regeln zu setzen: für Wettbewerb, Investitionen, Energie, Steuern und Innovation. Sie schafft Freiheit für Unternehmen und damit die Voraussetzung für Produktivität und Wachstum. Die eigentliche Frage lautet daher nicht, wie viel Industriepolitik wir brauchen, sondern wie viel Mut für Ordnungspolitik und Reformen wir aufbringen.
Notenbanken und Finanzmärkte: Stabilität ist keine Selbstverständlichkeit mehr
Die Geldpolitik bewegt sich am Rand ihrer Möglichkeiten. Die Spielräume sind eng, weitere Zinsschritte nach unten kaum absehbar. Gleichzeitig wächst der politische Einfluss auf die Notenbanken - in Europa wie in den USA.
Auch die Finanzmärkte verlieren an Stabilität. Hohe Staatsschulden, geopolitische Spannungen und politische Eingriffe verändern die Wahrnehmung von Sicherheit. Staatsanleihen sind kein automatischer Ruhepol mehr, der Dollar wirkt verwundbar. Volatilität wird zum neuen Normalzustand. Planungssicherheit entsteht so nicht – sie muss unter zunehmend fragilen Rahmenbedingungen erarbeitet werden.