Stars, Stripes und Standortaufbau
12.06.2025


Rückblick | Chef-Talk Global | 12.06.2025 | online
Abschottung, Strafzölle, America First. Die jüngste Schlagzeile: Ein neuer „Deal“ mit China steht, doch die Märkte bleiben skeptisch. Die Sonderzölle bleiben bestehen, ein Deal mit der EU ist noch nicht in Sicht, in Kalifornien statuiert Trump ein innenpolitisches Exempel.
Für deutsche Mittelständler mit USA-Geschäft hat diese Entwicklung eine klare Botschaft: Mit kurzfristiger Planbarkeit ist nicht zu rechnen. Zollrisiken, Visa-Probleme, Versicherungskosten – all das verschärft sich in einem Umfeld, das zunehmend durch Tweets, Dekrete und Machtspiele geprägt ist. Wer als Familienunternehmen in den USA erfolgreich sein will, braucht heute mehr denn je: Strategischen Weitblick, lokale Partner, juristische Absicherung – und starke Nerven.
Genau darum ging es beim jüngsten Chef-Talk Global „USA – Stars, Stripes und Standortaufbau“: Wie gelingt es mittelständischen Unternehmen, in einem politisch erratischen Umfeld nachhaltig zu wachsen? Welche Formen des Markteintritts sind zukunftsfähig? Und was sagen Unternehmer, die den Schritt bereits gewagt haben?
Fallbeispiel Scherzinger Pumpen: Mit Struktur und Tempo über den Atlantik
Ein besonders anschauliches Praxisbeispiel lieferte Matthias Derse, CEO der Scherzinger Pumpen GmbH & Co. KG aus Furtwangen. Das 220-köpfige Unternehmen mit 47 Mio. EUR Umsatz – rund die Hälfte davon im Automotive-Sektor – hat bereits in Kanada und China Erfahrungen gesammelt. 2021 fiel die Entscheidung, den US-Markt systematisch zu erschließen.
Warum USA? Die klare Antwort: Größter Einzelmarkt der Welt, wachstumsstark, bekannte Sprache, bestehende Kundenkontakte. Die Umsetzung war jedoch alles andere als trivial: Mit einem erfahrenen Ex-Geschäftsführer eines Mitbewerbers als künftigem US-Geschäftsführer, gründete man eine Holdingstruktur in Delaware – aus steuerlichen und haftungsrechtlichen Gründen – und eine operative Tochtergesellschaft in Dallas. Die Gründungskosten: Überschaubar. Die Flugverbindung: Ideal.
Ein starker „Ankerkunde“, ein verlässlicher Anwalt und ein erfahrener Steuerberater waren die Säulen für den gelungenen Start. Die wichtigste Erkenntnis: In einem umkämpften Markt wartet niemand auf die deutsche Lösung. Der Markteintritt erfordert Geduld, Kapital und lokale Kompetenz. Die laufenden Kosten – etwa für Versicherungen – sind erheblich höher als in Deutschland: Bei 750.000 Dollar Umsatz fallen bis zu 30.000 Dollar Versicherungskosten an. Und: Viele potenzielle Kunden halten sich wegen regulatorischer und politischer Unsicherheit zurück.
Aktuell verlagert Scherzinger eine Produktionslinie in die USA – ein nächster, mutiger Schritt, um die Nähe zum Kunden weiter zu erhöhen und gleichzeitig Zölle zu umgehen.
Rechtsrahmen USA: Case Law & teure Prozesse
Philipp Nürnberger, Gründer der Rechtsberatung Nuernberger Legal, führte in die rechtlichen Rahmenbedingungen für den US-Markt ein. Die typischen Stufen einer Expansion: Vom klassischen Export über Vertriebspartnerschaften bis zur eigenen Präsenz vor Ort – sei es als Repräsentanz, unselbstständige Niederlassung oder vollwertige Tochtergesellschaft. Insbesondere die strategischen und rechtlichen Anforderungen und Möglichkeiten nehmen mit jeder Stufe deutlich zu. Die zentrale Botschaft von Nürnberger: Der Teufel steckt im Detail – und im Vertrag. US-Verträge sind weitaus umfangreicher als deutsche, da sämtliche Eventualitäten schriftlich geregelt sein müssen. Wird US-Recht vereinbart, ist eine wasserdichte Vertragsstruktur Pflicht.
Auch die Wahl der Unternehmensform will wohlüberlegt sein: Delaware bietet sich als Sitz für die Holding an, der operative Standort kann dann als Tochtergesellschaft mit variablem Sitz in einem anderen Staat aufgebaut werden. Alternativen wie der Erwerb bestehender Firmen oder Joint Ventures sind möglich – letztere aber kulturell hochkomplex. „Amerikaner sind keine Europäer zweiten Grades“, so Nürnberger.
Auch das Thema Haftung ist kritisch: Ohne explizite Begrenzung im Vertrag drohen weitreichende Risiken. Streitbeilegung durch Vergleich ist ratsam – ein US-Prozess ist deutlich teurer als ein deutscher. Die Gestaltung der AGB muss USA-spezifisch erfolgen – Copy-Paste aus dem deutschen Vertragswerk ist ein Rezept für Ärger.
In der Diskussion kamen weitere praktische Themen zur Sprache:
Webauftritte: Eigene US-Websites können die lokale Sichtbarkeit erhöhen und stützen eine Local for Local Strategie.
Gehaltsstruktur: Vergleiche zu Deutschland sind immer schwerer möglich, besonders bei gut qualifizierten, begehrten Arbeitskräften. Hier lohnen sich Benefits und Boni.
Zoll und Produktion: Auch bei US-Produktion können Einfuhrzölle anfallen – ein möglichst enger und guter Kontakt zur Zollbehörde bzw. einem guten Zollberater ist entscheidend.
Politik und Planbarkeit: Die US-Regierung agiert zunehmend erratisch – Executive Orders und deren Auslegung sorgen für Unsicherheit. Die Mühlen der Auslegung mahlen jedoch deutlich langsamer als die medial präsenten Executive Orders.
Visa: ESTA reicht bei operativer Tätigkeit nicht aus. Investorenvisa bringen mehr Sicherheit – vorausgesetzt, man ist regelmäßig und mit klarer Mission vor Ort.
Fazit: Der US-Markt ist anspruchsvoll und bei weitem kein Selbstläufer. Wer mit strategischer Tiefe, rechtlicher Sorgfalt und kultureller Demut agiert, kann dort erfolgreich wachsen. Der Chef-Talk zeigte: Es braucht Mut, gute Partner – und die Bereitschaft, sich auf amerikanische Spielregeln einzulassen.